Ludwig Kuhlenbeck               Mannesmut

 

Donnergrollend ballt ein Sturmgewitter

Wolken, mit dem Feuerflammenstrahl

Fährt vom Firmment zum Erdenthal

Gedankenschnell der Blitz, des Todes Ritter:

 

Siehst Du nun des schwachen Strauchs Gezitter!

Ein Bild des Memmensinns und seiner Qual!

Es graust ihm vor dem grellen Wetterstrahl,

Der Tod, den er ihm dräuet, dünkt ihm bitter!

 

Die Eiche aber dort rauscht froh entgegen

Dem Strom vom Himmel, der sie soll erquicken,

Und ihre Wurzeln thau’n von Gottes Segen.

 

Ihr gleicht ein Mannesherz, das unverlegen

Blickt in der Feinde grimmes Schwerterzücken,

Kraftvoll greift die Faust zum eig’nen Degen.

 

 

 

 

 

Ludwig Kuhlenbeck               Manas

 

 

I.

 

Ein Mensch ist der Bandit mit gift’gem Stahle,

Der sichs für schnödes Gold zum Mord verdingt,

Wie, der für’s Vaterland den Degen schwingt;

Mensch leibt der Geistesheld am Marterpfahle;

 

Mensch heißt hier der vertierte Kannibale,

Der seinem Fetisch grause Opfer bringt,

Und dort ein Christ, der heil’ge Hymnen singt,

Gestärkt vom Gnadentrunk aus lautrer Schale!

 

Sag, schuf der Schöpfer sich zum Ebenbilde

Sie alle, die das Antlitz aufrecht tragen,

Emporzuschau’n zum ew’gen Sterngefilde?

 

Und kam Dir’s nie in Sinn und Herz, - zu fragen,

Ob Schuld an seiner Tierheit trägt der Wilde,

Und ob der Sünder ewig zu beklagen?

 

II.

 

Schaust Du der Menge mühsam eitles Trachten,

Wie sie verschwendet bis zum Überdruß

Unedlen Schweiß für niedrigen Genuß,

Begnügst Du Dich, sie stolz nur zu verachten?

 

Droht nicht vielmehr Dich Zweifel zu umnachten,

Ob nicht desselben Todes kalter Kuß

Uns alle senkt zum trüben Lethefluß,

Gleichviel, ob wir gemein, ob edel dachten?

 

Ist Cäsars lorbeerkranzgeschmückte Stirne

Nicht gleichermaßen Staub und Lehm geworden,

Wie jene Thoren, die ihn sollten morden?

 

Und muß ein reines Herz voll Lieb’ und Treue

Nicht minder brechen wie das Herz der Dirne,

Die sich den Lüsten preisgiebt ohne Reue?

 

 

III.

 

Doch wolle nicht auf Zweifelswogen schwanken!

Senke die Anker in den festen Grund

Des Christusglaubens, - und im Kern gesund,

Wird Deine Seele fortan nicht mehr kranken!

 

Unfaßbar sind die ewigen Gedanken

Allvaters, wie des Äthers lichtes Rund:

Doch, wie sein Weltbau weder First noch Grund.

So kennt auch seine Liebe keine Schranken!

 

Ein Schächer selbst, in Sünden schier versteint,

Ward noch am Kreuz zu bess’rem Sein erkoren,

Ward noch im Tode mit dem Herrn vereint.

 

Drum dies halt’ fest! In Gott ist Nichts verloren,

Und was dem Tode hier verfallen scheint,

Wird dort zu höh’rem Dasein neugeboren!

 

 

IV.

 

Die Tropfen, die aus Jesu Wunden quillen,

Sie sind der Born, der nimmermehr versiegt:

Das Böse triumphiert und unterliegt

Doch in sich selbst, ein Nichts, nach Gottes Willen.

 

Das Gute aber wächst, gedeiht im Stillen,

Es triumphiert nicht laut, allein es siegt,

Wenn es geduldig sich zum Opfer schmiegt

Am Kreuz, von dem die heil’gen Tropfen quillen.

 

Denn diese Tropfen stillen alles Leid;

Und an dem Kreuz verstummen alle Klagen,

Und vor dem Kreuze schweigen allen Fragen.

 

Das Böse ist ein Schatten dieser Zeit,

Es schwindet vor dem Licht der Ewigkeit

Hin wie ein Traum aus trüben Erdentagen.

 

 

V.

 

Dein Leben sei ein rastlos ernstes Streben

Zum Dreigestirn des Wahren, Guten, Schönen!

Mag auch die Menge Dich als Schwärmer höhnen,

Wag Du es kühn zum Flug Dich zu erheen!

 

Hoch wirst Du denn im lichten Aether schweben,

Dich zugesellen freien Göttersöhnen,

Beseligt lauschen all’ den Wonnetönen,

Die durch die Sphärenharmonie des Weltalls weben!

 

Nicht fürchte jähen Rücksturz in die Tiefe,

Wie Dädalus mit wachsgefügten Schwingen,

Die vor der Sonne Strahlenkuß zergingen!

 

Denn Du vertraust Dich einem Hyppogryphe,

Des Fittiche, entrückt der Erde Schatten,

Im hellsten Strahlenglanze nicht ermatten.

 

 

 

 

 

Ludwig Kuhlenbeck               Sonettenkranz

 

 

I.

 

Es nahte sich die Sonne ihrem Ziele;

Zur Seite stand ich Dir, der Thränen Fluten

bekämpfend, die hervorzuheben drohten,

Gelöst von bittrer Trennung Schmerzgefühle,

 

Im Garten blühten rings der Rosen viele,

Die weiß wie Schnee, die rot, wie Flammengluten;

Zum Abschied, hofft’ ich, eine von den roten

Solltest Du brechen mir vom dorn’gen Stiele.

 

Doch ach! Du botest mit erzwungner Kühle

Mir Lebewohl, - und nun ich selbst mir eine

Brach, - da entfielen der die duft’gen Blätter,

 

Sei’s weil sie welk geworden in der Schwüle,

Sei’s, weil sie losgelöst vom Regenwetter,

- Ihr glich ein sturmentblättert Herz, - das meine!

 

 

II.

 

Doch ob der Sturm entblättert hat die Blüten,

– Wurzelt nur tief und lebenszäh im Grunde

Der Rose Stamm, – so läßt der kerngesunde

Bald frische Knospen folgen den verblühten.

 

Auch Du, wenn Hoffnungen Dir sich verfrühten,

wenn Dir die Zeit schlägt eine tiefe Wunde,

Vertraue noch! Gott mag in später Stunde

Dir den Verlust mit süßrer Lust vrgüten.

 

Als einst die Welt von neuem Chaos träumte,

Da tauchte, wie das Meer wildbrausend schäumte,

Der Schönheit Göttin aus der dunklen Flut.

 

So muß die dunkle Nacht dem Tage weichen,

Und wenn des Morgensternes Strahlen bleichen,

Flammt rosig auf Auroras Purpurglut.

 

 

III.

 

Oft weil’ ich schlaflos noch in stillen Nächten,

Wenn Dich längst holde Traumgewind’ umranken;

Wenn And’rer Sorgen längst vom Lethe tranken,

Muß ich allein mit meinem Schmerze fechten.

 

O Liebesschmerz! O Fesseln, die mich knechten!

Vergebens stürm’ ich gegen Deine Schranken:

Gefesselt sind des Geistes Kraftgedanken,

Gekettet ist mein Herz von höh’ren Mächten!

 

was frommt es mir, mit dem Geschick zu rechten,

Das ihr zu eigen gab mein ganzes Wesen

Seit jener längst von ihr vergess’nen Stunde?

 

Ein Kränzlein von Sonetten will ich flechten,

Sie mag es einst in stiller Stunde lesen,

Ermessen d’raus die Tiefe meiner Wunde.

 

 

IV.

 

Ach, ahntest Du die Schmerzen, welche wühlen

In diesem Herzen, daß Du jetzt verachtest,

Nachdem Du selbst die Flammenglut entfachtest,

Die keines Trostes Balsamtropfen kühlen!

 

Ach ahntest Du den Aufruhr von Gefühlen,

Den Du in dieser Seele Frieden brachtest,

Da Du sie anfangs täuschtest, dann verlachtest,

Du würdest, wenn nicht Liebe, - Mitleid fühlen!

 

O frage nicht, woher dies zage Klagen

Dem frischen Mut, den jüngst noch Lorbeern riefen,

Für den geschirrt schon stand des Ruhmes Wagen:

 

– Du hast ein edles Saitenspiel zerschlagen,

Darinnen stolze Heldenlieder schliefen,

Wie sonn’ge Perlen in des Meeres Tiefen!

 

 

V.

 

Mich schuf Natur nicht aus gemeinen Stoffen!

Auf hohe Ziele war mein Geist gerichtet;

Dem Wohl der Menschheit fühlt’ ich mich verpflichtet

Und meinen Busen schwellte Mut und Hoffen!

 

Schon träumt’ ich Wallhalls Heldensaal mir offen!

Der Zukunft Dunkel schien mir hell gelichtet;

Da hat ein Wetterstrahl den Mut zernichtet,

Hat lähmend mich ein jäher Blitz getroffen.

 

Du, meines Strebens einz’ges Himmelszeichen,

Du, der als Königin in meinen Reichen

Ich still gehuldigt, hießest schroff mich weichen,

 

Verwarfest mich wie ein verwelktes Blümchen,

Wie man vom Tische fegt ein trock’nes Krümchen,

Zur Seit’ hängt ein verbrauchtes Ballkostümchen!

 

 

VI.

 

Es schwebte stolz vor and’ren Schmetterlingen

Ein Falter lenzesfroh im Sonnenscheine;

Ein schönes Kind erblickte ihn am Raine

Und freute sich der farbig bunten Schwingen.

 

Und froh begann’s zu haschen und zu springen;

Der Falter sah’s; berauscht vom Blütenweine,

Dacht’ er: mit Wonnen, Kind, werd’ ich der Deine,

Und ließ dem hashenden den Fang gelingen.

 

Weh ihm! Wie ward enttäuscht sein trunkner Glaube!

Wie unsanft ward sein Flügelpaar zerdrückt!

Und sterbend liegt er nun auf welkem Laube,

 

Der eitle Schwärmer! wähnte sich beglückt

Von Liebe, nun entfärbt vom Erdenstaube

Sieht er erst ein, daß Spielsucht ihn zerpflückt.

 

 

VII.

 

Von Freundschaft sprachest Du in schön’ren Tagen,

Mit sanftem Händedruck ward sie beschworen,

Mit wonn’gem Wunsche lauschten meine Ohren

Und auch mein Herz, – das muß ich nun beklagen!

 

Denn, als ich kühn vermeint’, ich dürft’ es wagen,

Dir zu vertrau’n, daß ich Dich auserkoren

Von Vielen, schaltest Du mich einen Thoren

Und ließest Herbes mir durch And’re sagen.

 

Gefahrvoll ist’s, mit Herzen Spiel zu treiben;

Denn jedes Spielzeug kann am Ende brechen

Und an dem Unvorsicht’gen wird sich#s rächen!

 

Ein Rosenblatt kannst Du zu nichts zerreiben,

Sein zarter Duft wird Dir am Finger bleiben,

Wie diese Verse noch von Liebe sprechen.

 

 

 

 

 

Ludwig Kuhlenbeck               Neuer Sonettenkranz

 

 

I.

 

Die jüngst für sich nur einsam durften klagen

Von Liebesgram in nächtlich stillen Stunden,

Wenn brennend heiß das Blut sich aus den Wunden

Ergoß, die Amors Waffe mir geschlagen,

 

Nun dürfen die Sonette ohne Zagen

Dir nah’n, Geliebte, und Dir unumwunden,

Was je dies Herz an Schmerz und Lust empfunden

Und alles, alles, was ich denke, sagen.

 

Erhört hast Du der Liebe heißes Flehen;

Noch glüht Dein süßer Kuß auf meinen Wangen,

Von denen Todesblässe er vertrieben!

 

Verjüngt atm’ ich der Frühlingslüste Wehen,

Gelöst ist all des Winters Frost und Bangen,

Erneut hast Du mein Leben durch Dein Lieben!

 

 

II.

 

Erneut mein Leben: So wenn neue Säfte

Im Frühjahr in die Wurzelfasern dringen,

Bevor die ersten jungen Knospen springen,

Verspürt der Baum im Innern neue Kräfte;

 

So läßt der Seemann, wenn er das entreffte

Schiffstakelwerk sieht in den Lüften schwingen,

Den Anker froh des Hafens Grund’ entringen,

Und sorgt, daß man aufs Neu die Segel heffte!

 

Bald wird der Baum im Blätterschmucke prangen

Und Blütenschnee, und aus den duft’gen Zweigen

Durchbricht die Nachtigall der Nächte Schweigen!

 

Bald läßt der Seemann ohne Furcht und Bangen

Vom vollen Wind die weißen Segel schwellen

Und fliegt dahin auf schaumgekrönten Wellen!

 

 

III.

 

Erneut mein Leben!  Sieh, im Sonnenglanze

Lacht hell die Flur, und zum verlass’nen Neste

Kehrt schon zurück das Volk beschwingter Gäste

Vom Vaterland der Myrt’ und Pomeranze.

 

Der Sieger Lenz warf seine letzte Lanze

Dem Winter nach, der nun zu seiner Veste

Gen Norden flieht! –  Sieh, wie zum Osterfeste

Natur sich schmückt mit einem Blumenkranze!

 

Rings geben uns die Knospen und die Keime

Ein Sinnbild, wie voreinst aus Todesbanden

Der Heiland und Erlöser uns erstanden!

 

Dir aber mögen diese zarten Reime,

Geliebte, davon süße Kunde geben,

Wie mir durch Dich erblüht ein neues Leben!

 

 

IV.

 

Als einst in gleicher Flammenglut entbrannte,

Wie Dir mein Herz, - für eine engelreine

Maid, die sein Dichterauge als die eine,

Urzeitlich ihm bestimmte Braut erkannte, -

 

Beatrix war’s, die ewig nun genannte,

Die jetzt, verklärt von lichtem Glorienscheine,

Mit ihm durchschwebt des Paradieses Haine,

– Da dichtete sein „neues Leben“ Dante.

 

So will ich Dir mein „neues Leben“ singen,

Und meine Seiten werden nimmer springen,

So lang’ Dein Auge nur mir Beifall winkt!

 

Nur woll’ in Einem nicht Beatrix gleichen!

O wolle eher nicht von hinnen weichen,

Als bis mit Dir mein Geist sich aufwärts schwingt!

 

 

V.

 

In eine See voll Leid wollt’ ich versinken;

Schon hat ich angestimmt mein Schwanenlied: -

Doch nun mein Aug’ umflort zum Ufer sieht,

Sieht’s eine Hand von dort wie flehend winken.

 

Aus düstren Wolken scheint ein Stern zu blinken,

Der ach! wer weiß, wie bald doch wieder flieht!

- Nun, da’s mich schon mit Macht zur Tiefe zieht,

Soll ich noch einmal kämpfen mit Ertrinken?

 

Ermattender, willst Du’s noch einmal wagen.

Ob Dich die Wogen bis an’s Ufer tragen,

Wo alles Leiden endigt, alles Klagen?

 

Willst Du noch einmal durch die Brandung schwimmen,

Den schroffen Klippenstrand nochmals erklimmen,

Verstimmtes Saitenspiel noch einmal stimmen?

 

 

VI.

 

Ich will’s! will alle Kraft zusammenraffen,

Auf’s Neue mit den wilden Wogen ringen,

Die brausend schon das Lied vom Sterben singen,

Als wähnten sie, ich müsse jetzt erschlaffen!

 

Ein harter Mut kann selbst das Schicksal zwingen;

Erst als Alkmenes Sohn mit seinen Waffen

Die Welt von Ungeheuern rein geschaffen,

Durft’ er sich aufwärts zu den Göttern schwingen!

 

Sei’s denn gewagt! Der Preis ist nicht zu teuer;

Kein Lorbeerkranz zwar ist als Ziel gestellt,

Auch keiner gold’nen Krone gleißend Feuer!

 

Das Eine Ziel, das mir die Zukunft hellt,

Du bist es, die Du sagen sollst: „Getreuer!

Dich lieb ich, weil Du mich liebst, wie ein Held!

 

 

VII.

 

Ich wollt’, wir lebten noch in jenen Zeiten,

Wo Schwert und Schild des Ritters Zeichen war,

– Mir Ehr’ und Ruhm zu suchen in Gefahr,

Würd’ ich hinaus zum heil’gen Lande reiten!

 

Dann dürft ich wohl für Deine Farben streiten,

Am Helm ein Band aus Deinem gold’nen Haar, -

Und hätt’ ich Tag’s gefochten, wie ein Aar,

Als Barde schlüg’ ich Abends wohl die Saiten!

 

Wie anders würde dann mein Lied erklingen!

- Bald wild und rauh, wie schart’ger Klingen Springen,

Bald mild und süß, wie Nachtigallen singen!

 

Sag! Kehrt’ ich dann zurück ans blut’gen Kriegen,

Ruhm überstrahlt von manchen schönen Siegen,

Dürft’ ich mich huld’gend Dir zu Füßen schmiegen?

 

 

VIII.

 

Doch uns’re Zeit trägt leider and’re Mienen;

Such’, nicht nach Rittern selbst vor königsthronen;

Die Welt kennt jetzo Bienen nur und Drohnen,

Die nicht der Ehre, doch dem Mammon dienen.

 

Da steht sie, stolz auf ihre Dampfmaschinen

Und stolz auf fernhintreffende Kanonen,

- Wo bleibt ein Platz, um frei vor ihr zu wohnen?

Auch Deiner Ahnen Burg sank in Ruinen!

 

Doch ist noch Raum, für’s Gute drin zu fechten,

Und ein von Gottes Schwert geschlag’ner Ritter,

Zu steh’n vor Volk und Fürst, vor Herrn und Knechten.

 

Nicht tracht’ ich drum nach Orden, Glanz und Flitter,

- Als Dein Vasall nach ritterlichen Rechten

Bräch’ ich der Lanzen viele gern in Splitter!

 

 

IX.

 

Du sagtest einst, ich sei der lichte Mond

Am Sternenhimmel Deiner treuen seele,

Ein Mond, der nie sich hinter Wolken stehle,

Ein Mond, der stets im reinsten Glanze thront!

 

Du sagtest einst, ich sei der lichte Mond,

Vor dessen Silberblick sich nichts verhehle,

Was lebt und webt in Deiner treuen Seele,

was Dir im tiefsten Herzensgrunde wohnt!

 

Ich bin’s, - doch wisse, Du bist meine Erde,

In deren Zauberkreis der Mond gebannt,

Auf ewig, daß er niemals untreu werde!

 

Stets ist sein Angesicht ihr zugewandt,

Auch seinen Nächten spendet Licht die Erde!

Doch beiden wird ihr Licht von Gott gesandt!

 

 

X.

 

Gott ist die Sonne, uns’res Lebens Quelle!

Die Erde, Sterne und der Mond umkreisen

In festbestimmten regelrechten Gleisen

Die sonne, und von dort stammt ihre Helle.

 

Sieh, keines Weltorkans Vernichtungswelle

Läßt sie aus ihren Bahnen je entgleisen!

Sieh her! wie sicher durch den Raum sie reisen,

Die Erde und ihr treuer Pfadgeselle!

 

So wir, auf gottgegeb’nen Bahnen gleiten

Vereint wir durch den Ozean der Zeiten,

In gleicher Gottesliebe ungetrennt;

 

Und auch der Tod wird, wie ein Schattenschemen

Uns für ein Weilchen nur die Helle nehmen

Des Sonnenlichts, das kein Erlöschen kennt!

 

 

XI.

 

Am Finger strahlet mir mit gold’nem Scheine

Ein Ringlein, drauf - , der eine meeresgrün,

Der and’re flimmernd rot, wie Abendglühn,

Gleich Doppelsternen flimmert ein Paar Steine.

 

Dies Ringlein gabst Du mir, Du süße, reine,

Der meine schönsten Hoffnungsträume blühn;

Der meines Herzens Feuerfunken sprühn,

- Zum Zeichen, daß fortan ich sei der Deine!

 

Dies Ringlein sei mein Trost in trüben Stunden;

Wie Dichtergeist in edlen Feuerweinen,

Geheimer Zauber schlummert in den Steinen;

 

Der bannt vom Herzen alle wilden Triebe,

Der hält mich treu an Deine Huld gebunden,

Als ein Symbol der Hoffnung und der Liebe.

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Kuhlenbeck               Meine Mutter

 

Wohl las ich viel von edlen Frauenseelen,

Von Porcia, Cornelia, Thusnelden

Und anderen, davon die Dichter melden;

Dann dächt’ ich stets, ich will es nicht verhehlen:

 

Daß solche Frauen unsern fehlen;

Gedankenleer fand ich die schönsten Köpfe,

Geschaffen, nur zu tragen dichte Zöpfe,

Doch nicht der Frauenwürde Kronjuwelen!

 

Da, Mutter, kehrt’ ich heim, bei Dir zu finden,

was ich vergeblich suchte in der Ferne!

dein Herz war eins mit meines Daseins Kerne:

 

Verständnis bot Dein sinniges Empfinden

All meinem Denken, treuer als der Sterne

Ihr Spiegelbild im Meeresspiegel finden.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Kuhlenbeck               Totenklage um Kaiser Friedrich

 

 

I.

 

Dem ersten Schmerz, dem heilig ernsten tiefen,

Soll nicht der Trost, - sei’s auch der Liebsten, - nah’n;

Ihn trösten wollen, - zudringlicher Wahn!

Wart’ ab, bis milder erst die Thränen triefen!

 

Wem je versunken ist in Deine Tiefen,

O Grabesgruft, ein Liebstes, - stummer Schwan,

Des echten Schmerzes Sinnbild, folg’ dem Kahn

Des Charon, dem doch nimmer Einhalt riefen

 

Die Klagelaute, die vom Ufer geller,

Die Arme, die sich zum Gebet erheben, -

Auf finstrem Strome, dessen trübe Quellen

 

Viel Thränen sammeln, wie der Menschheit Leben

Sie weint, wenn Schicksalsnot die Parzen weben;

- Folg’ schweigend ihm auf des Cocytos Wellen!

 

 

II.

 

Verachtung nur gebührt den Dichterlingen,

Die an der Bahre schon die Totenklagen

Kunstvoll gefühllos anzustimmen wagen,

Daß sträubend fast der Leyer Saiten springen.

 

Es fehlen solchem Sang des Schwanes Schwingen,

Der nach dem Heimgeleit, empor getragen

Vom Thränenstrom zum Wlkenflor, mit Zagen

Des Schmerzes Schweigen endlich löst in Singen,

 

In Singen, - nicht, daß drunten man ihn höre,

In Singen, weil ein Gott es ihm verlieh,

Verzweiflung in Entsagung auszutönen,

 

Die Sehnsucht zu verklären, daß sie nie

Das Bild verliert, daß sich umflort verlöre,

Müßte der Thränen sie sich nicht entwöhnen.

 

 

III.

 

Jetzt, da die Trauerglocken längst verklungen,

Nachdem vorbei der anbefohl’ne Brauch,

- Nicht mehr mit Crep am Arm sich jeder Gauch

Bekleidet, weil es Mode, halbgezwungen;

 

Nachdem verstummt der Leichenpred’ger Zungen,

Verzogen der Gefallsucht myrrhenrauch,

Da längst die frischen Blumenspenden auch

Verwelkt sind, die man um sein Grab geschlungen:

 

Jetzt erst erkennbar ist die wahre Trauer

Der Guten, die nach Wochen nicht bemißt

Den tiefen Schmerz von unbeschränkter Dauer,

 

Die Liebe, die des Toten nie vergißt,

Die in der Einsamkeit nicht einsam ist,

Ergriffen von der Geistesnähe Schauer.

 

 

IV.

 

Gewandelt war ich durch der heimat Haine,

Gedankenschwer, und von den zukunftsloosen

Des Vaterlands bewegt, beim Hünensteine

Saß ich noch spät inmitten wilder Rosen,

 

Dort wo einst Wittekind, der Held, und seine

Gewalt’ge Heerschaar unter Waffentosen

Und Schildgedröhne pflegten auszulosen

Den Heerbann, bei des Neumonds mattem Scheine;

 

Und träumend ruht’ ich, auf der Eichen Rauschen

Und auf der Quelle Murmeln nur zu lauschen.

Da trat ein hohes Weib aus Waldesdunkel

 

Zu mir heran; es strahlt’ wie Sterngefunkel

Ein Stirnband, das die Schläfen ihr umkränzte,

Ein Saitenspiel in ihren Händen glänzte.

 

 

V.

 

Vom Scheitel floß dicht goldiges Gesträhne

Des ungeflochtnen Haars zum Gürtel nieder,

Ein Panzerkettenhemd umschmiegt’ ihr Mieder;

Am Gürtel hing ein Schwert, - am Aug’ die Thräne.

 

- Die Muse Deutschlands war es, wie ich wähne.

Die Mutter alter freier Heldenlieder,

Die Walafrau, der Ohdin seine Pläne

Vertraut, um deren Ohren das Gefieder,

 

Das schwärzliche der Raben Ohdins, schwingt,

Wenn sie, wie damals auf dem Hünensteine

Um mitternacht sich niedersetzt und singt.

 

Der ich ihr dort zu Füßen saß am Raine,

Den Nachklang biet’ ich hier Euch, der durch meine

Von ihrem Sang ergriff’ne Seele klingt:

 

 

VI.

 

„Längst lagern schwarze Wolken, schwere Wetter

Am Horizonte meines Vaterlandes,

Vom Wasgan bis zum Haff des Ostseestrandes

Graust’s oft wie Sturmesahnung durch die Blätter.

 

Es naht die Zeit, von der die Runenletter

Geheimen Sinns prophetischen Verstandes

Der Menschheit droht, die Zeit des Weltkriegbrandes,

Da nur ein scharfes Schwert des Volkes Retter,

 

Des Volkes Retter sein soll vom Verderben,

Wenn mit der höllenkunst künstlichsten Waffen,

Die Lokirs List ersonnen und erschaffen,

 

Mit Mordmaschinen, die den Donn’rer höhnen,

Vor deren Knall die Bergesriesen stöhnen,

Um Tod und Sieg die Nationen werben.

 

 

VII.

 

In diesem Krieg wird nur ein Volk bestehen,

Das nicht der Freiheit feig die Ehre bricht,

Und das, getreu der Wahrheit und dem Licht,

Der Morgensonn’ ins Auge wagt zu sehen.

 

Der Geist des Fortschritts und sein Sturmeswehen

Wird niederwerfen jeden kranken Wicht,

Dem durch die Glieder schlich der Knechtschaft Gicht,

Daß morsch er ward vom Wirbel zu den Zehen.

 

Die Siegespalm’ ist nicht bestimmt für Sklaven;

Die Freiheit ist es, die ihr Reich will gründen

Auf Heldenblut gesättigten Gefilden!

 

Als Rachegöttin naht sie, streng zu strafen

An jedem Volk Europas seine Sünden

Und Raum zu schaffen edleren Gebilden!

 

 

VIII.

 

Nicht fürcht’ ich Euch, ihr feuerzüngelnden Drachen!

- Die Schlange fürcht’ ich, die im Finstern kriecht,

Die Krankheit fürcht’ ich, dran die Mannskraft siecht,

Wenn sich ins Fäustchen feige Memmen lachen,

 

Den unsichtbaren Hauch, der aus dem Rachen

Der Hölle sich auf Vampyrschwingen wiegt,

Der sich in edler Seelen Wohnung schmiegt,

Sollt’ auch ein Ekkehard ihr Thor bewachen.

 

Die Schlange fürcht’ ich, die Verrat zu stiften,

Von Anfang schwur, dem göttlichen Vollbringen,

Die in die Knospen schleicht als Todeswurm!

 

Des Edlen Seele kann sie nicht vergiften,

Doch konnte sie des Helden Leib bezwingen,

Der einst in Schlachten stand stark wie ein Turm!

 

 

IX.

 

Die Schlange, die Laokoon zerrissen,

Entriß auch ihn uns, der vom heil’gen Grale

Ein Ritter, gottgeweihte Ideale

Im Herzen barg und seines Volks Gewissen.

 

Gewillt war er, das Banner hoch zu hissen

Auf höchster Zinne, das so lang im Thale

Wir bergen mußten; - doch, aus bitt’rer Schale

Mit Leid getränkt, nun starb er in den Kissen.

 

Um seines Streben letztes Ziel betrogen,

Den würdigsten des schönsten Lorbeerreisers

Sah’n unsern Friedrich wir gen Wallhall flieh’n.

 

- Ein Zeichen schien es fast, Du sei’st, gewogen,

Mein Volk, - zu leicht befunden worden eines Kaisers,

Der Dich zur Freiheit dachte zu erzieh’n!

 

 

X.

 

Weh Dir mein Volk, wenn Deiner Jugend Träume

Selbst Jünglinge mit Flaum am Kinn verlachten!

- Mit greisenhaftem Unverstand verachten,

So scheint’s, sie heil’ge Hoffnungen als Schäume.

 

Entrüstet schütteln drob die Eichenbäume,

In deren Schatten wir Gelübde brachten

Den Jahrestagen alter Freiheitsschlachten,

Die alten Häupter, und die Sternenräume

 

Vernehmen ihr Gelüster, und wie Klagen

Durchhallt ein Echo lichte Himmelssitze,

Auf denen großer Ahnen Geister thronen;

 

- Aus Wolkenknäu’ln seh’ ich gespenst’ge Blitze

Noch lautlos schwefelgelbe Zacken schlagen

Nach jenen Zinnen, wo die Spötter wohnen.

 

 

XI.

 

O Macht des Bösen! Wenn die Völker kranken,

Wird Freiheit siech, welk Schönheit, Wahrheit blind,

- Wie eine Raupe sich um Rosen spinnt,

Schlägt plumper Wahn in Fesseln den Gedanken!

 

O Schicksalsnacht, vor der die Säulen sanken

Der Tempel von Athen, Rom und Korinth,

Macht der Zerstörung, deren Sturmeswind

Dem Schiff des Staates rüttelt an den Planken!

 

Der Dejanira liehst Du dein Gewand,

Das giftige, um Herakles zu töten;

Du strecktest meuchlings nieder in den Sand

 

Achills und Siegfrieds Stärke, ihn zu röten

mit edlem Herzblut; - Du füllst uns mit Nöten

Und Kümmernis den Kelch jetzt bis zum Rand.

 

 

XII.

 

Nun schreit der Uhu wieder auf den Gassen ;

Froh, daß ein Königsadler nicht mehr lebt,

Vor dessen starken Fängen er gebebt,

Schwelgt in Verläumdungen sein Neid und Hassen.

 

Stumm aber zieht der Schwan, stolz und gelassen

Am Ufer hin, bis daß er kühn sich hebt.

- Dann tönt sein Sang, vom Zorn und Schmerz gewebt,

In Wolkenhöh’ unhörbar tauben Massen.

 

Hoch am Zenith, besetzt mit Funkelsteinen

Schwebt eine Leyer, die Apoll geschlagen,

Um Daphnes Tod zu singen, nicht zu weinen:

 

In deren Nähe hoch emporgetragen,

Mit deren Klängen sucht der Schwan zu einen

Um Kaiser Friedrichs frühen Tod sein Klagen.“